Die deutsche Politik liebt Debatten und Auseinandersetzungen über Strukturen und die Finanzierung von Aufgaben. Wer ist für was verantwortlich? Wer darf was finanzieren? Wo kommt das Geld her? Alles braucht seine Zeit. Nicht die Veränderung ist die Normalität, sondern die Stabilität. Gern folgt man bestehenden Mustern. Das mag eine Zeit lang gut gehen, bei tiefgreifenden Umbrüchen funktioniert das aber nicht. Ein solcher Umbruch steht jetzt in der Bildung an. Die Digitalisierung eröffnet grundlegend neue Möglichkeiten, Bildung anders zu organisieren, den Zugang und die Vermittlung von Wissen offen zu gestalten und die Teilhabe von Menschen letztendlich zu stärken. Gerade in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland kommt der digitalen Bildung eine fundamentale Bedeutung zu. Die Zeit drängt, eine jahrlange Debatte über das, was zu tun ist, verspielt Chancen, die nur schwerlich wieder aufzuholen sind.
Seit Monaten wird über die digitale Bildung diskutiert, passiert ist wenig. Es gibt gute Ansätze, sie passen aber nicht in vorhandene Strukturen. Bund, Länder und Kommunen halten an Zuständigkeiten fest, von Vernetzung ist wenig zu spüren. Jeder verteidigt sein Gebiet. Und die nächste Diskussion beginnt. Bei den Diskussionen tritt − was Technologie betrifft − oftmals ein tiefverwurzelter Pessimismus auf. Es mag an unserer Kultur liegen, die Chancen und Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung gerade im Bereich der Bildung bieten kann, nur sehr verhalten zu nutzen. Zu starr sind die Muster. Initiativen aus Wirtschaft und Wissenschaft werden kritisch beäugt. So hat zum Beispiel das Hasso Plattner Institut eine Schul-Cloud auf den Weg gebracht. Schon wird beklagt, dass das HPI ohne Abstimmung mit den Ländern durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert ein Schulnetzwerk entwickelt hat, das jetzt den Länder-Clouds und eigenen Cloudlösungen der Kommunen gegenübersteht.
Das Bündnis für digitale Bildung verfolgt den Ansatz, Cloudlösungen zusammenzuführen. Das ist richtig und muss jetzt weiterverfolgt werden. Die Bildungs-Cloud hat für alle an der Bildung Beteiligten − wie Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrer, Schulen, Kommunen und Staat − eine enorm zentrale Bedeutung. Sie bildet die Basisinfrastruktur für Bildung im digitalen Zeitalter. Dabei ist es nicht so entscheidend, wie viele solcher Clouds es gibt, sondern wie modernes Lernen mit allen pädagogischen und organisatorischen Rahmenbedingungen stattfindet, wie daraus Bildungsportale entstehen und wie alles mit allem vernetzt ist. Informationen müssen allen durchgängig zur Verfügung stehen. Alle Bildungs-Clouds müssen miteinander in einem Verbundsystem stehen. Die Cloudtechnologie führt auch zu Veränderungen in den Organisationsstrukturen. In den 40.000 Schulen mit mehr als 9 Millionen Schülern, aber auch in der Weiterbildung, geht es nicht mehr vordergründig um Netzwerkadministratoren, sondern um Fähigkeiten, die den Zugang zu Clouds für alle jederzeit sicherstellen. Clouds haben den Vorteil, dass dort aktuell Lehr- und Lernmaterialen zur Nutzung abgelegt werden können, dass sich im weiteren Verlauf digitaler Bildung unterschiedliche Lerngruppen bilden können und sich ein Großteil der Schuladministration darüber abwickeln lassen wird. Lernorte sind künftig nicht nur auf Schulgebäude ausgerichtet, die gesamte Stadt ist ein Bildungsraum. Kommunale Bildungslandschaften lassen sich über Cloudcomputing idealerweise flexibel zusammenfügen. Ziel muss es sein, politische Kräfte mit Kultusministerien, Schulträgern, Pädagogen, Verlagen und Technologieunternehmen zusammenzubringen, um entsprechende Konzepte auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. Die Kultusministerkonferenz hat in ihrem Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt“ fünf Handlungsfelder festgelegt. Danach wollen Bund und Länder eine gemeinsame digitale Infrastruktur aufbauen, die Länder wollen mit Software-Entwicklern und Schulbuchverlagen für geeignete Lernprogramme besser zusammenarbeiten. Schulverwaltungssoftware und Lernplattformen sollen besser miteinander verbunden werden. Das sind richtige Ansätze, die perfekt in eine Cloudwelt passen.
Fünf Milliarden Euro will der Bund in den nächsten fünf Jahren in die Digitalisierung der Schulen investieren. Dies kündigte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, im Hebst letzten Jahres an. Beim „DigitalPakt#D“ geht es nach Aussagen der Ministerin „nicht darum, Schulen mit digitalen Endgeräten zu überschwemmen. Wir wollen keine Investitionsruinen, die immer dann entstehen, wenn Ausstattung, Konzept und Lernkultur nicht zueinander passen. Es geht mir um nachhaltige und strukturbildende Maßnahmen, digitale Technik als Teil pädagogischen Handelns“, so in einem Interview mit didacta digital. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ein Beitrag von Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes mit Sitz in Berlin und Beigeordneter für politische Grundsatzfragen. Zugleich ist er Leiter des DStGB-Innovators Club, eines Think-Tanks für Kommunen in Deutschland.